In unserem Special interviewen wir regelmäßig Architekten zu aktuellen Themen rund um Naturstein und Architektur. Den Anfang macht Gerhard Wallner, Geschäftsführer des Büros „Architekten DOMENIG & WALLNER ZT GmbH“. Wir trafen ihn in seinem Büro in der Jahngasse und befragten ihn zum Bestandsbau und zur Architekturausbildung.
„Ein guter Architekt verbindet Form und Funktion“
Starten wir mit einer wichtigen Frage: Was muss gute Architektur in der heutigen Zeit bieten können?
Das, was sie schon immer können hat müssen: Form und Funktion. Das sind die zwei grundlegenden Dinge. Damit bin ich aufgewachsen und das hat sich bis jetzt auch nicht geändert. Uns wird das auch in Zukunft wichtig bleiben.
Neue Herausforderungen wird es aber auf jeden Fall geben. Stichwort Digitalisierung. Hier ändern sich ja die Arbeitsanforderungen. Die Grundaussage der Architektur mit Gestalt und Funktion wird aber weiterhin bestehen bleiben.
Sie haben an der TU studiert und auch dort gelehrt. Was muss ein guter Architekt also können, um diese Aufgaben zu bewältigen?
Ein Architekt muss sehr viel können, da der Beruf sehr weitläufig ist. Das geht von der Grundlage des Entwurfs, über das räumliche Denken bis hin zum Begreifen komplexer Zusammenhänge, was die Planung betrifft. Gesamtheitlich betrachtet geht es um räumliche Gebilde mit Funktion, Konstruktion und Materialität. Natürlich sollte man auch bis zu einem gewissen Grad bei der Umsetzung dabei sein. Es ist demnach eine große Palette vom ersten Strich bis zum vollendeten Projekt. Natürlich gibt es Architekten, die nur planen und nichts bauen – aber das war nie unser Anspruch.
Lernt man das alles im Studium? Gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Unis?
[schmunzelt] Wer fertig studiert hat, muss eigentlich nochmals von vorne anfangen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Architekturstudenten auch neben dem Studium arbeiten, um eine gewisse Praxis zu erleben. Diese Zeit muss man sich einfach nehmen. Am schlimmsten ist es, wenn man das Studium in kürzester Zeit abschließt und im Beruf dann nicht einmal einen Einreichplan zeichnen kann. Ich kann daher das Sammeln einer gewissen Praxiserfahrung nur empfehlen. Generell brauchen alle Absolventen noch immer Zeit, um wirklich in der Praxiswelt anzukommen.
„Stein ist bei unseren Projekten immer dabei“
Wie funktioniert denn nun die Zusammenarbeit von Architekten und Steinmetzen?
Es kommt natürlich immer wieder Stein vor [zeigt auf die Steinmuster hinter sich]. Wir haben laufend mit Steinmetzen – schon in der Planung – zu tun. Hier geht es ja zusätzlich zur Materialwahl auch darum, was das Material schlussendlich auch kann. Oft ist es so, dass man etwas plant, das sich dann schwer bis gar nicht in der Praxis umsetzen lässt. Deshalb haben wir uns da immer schon früh mit den Steinmetzen verständigt und das hat auch immer funktioniert und ich habe hier gute Erfahrungen gemacht!
Wie wichtig ist hier den Einsatz von Naturstein?
Jedes Material hat sein Einsatzgebiet. Naturstein ist natürlich für den Bodenbereich interessant, aber auch in Bädern, bei Stiegen und Fassaden. Wir arbeiten mit unterschiedlichsten Materialen, aber Stein ist bei unseren Projekten immer dabei.
Sie sind ja seit Beginn Teilnehmer der Architektenreisen der Kaindlbauer Steinbau GmbH, bei denen stets neue Natursteinbrüche besichtigt werden.
Richtig! Diese Reisen sind eine gute Mischung aus Kultur und Austausch. Zum einen bekommt man fachlich sehr viel Input. Bei allen Reisen zu den Steinbrüchen hat man was dazu gelernt. Zum anderen ist natürlich der Austausch mit den Steinmetzen und Architekten während der Reisen sehr wichtig – vor allem am Abend bei einem guten Gläschen Wein! [zwinkert] Das ganze Format funktioniert einfach und war jedes Mal ein Erlebnis, weil hier stets ein reger Austausch stattfindet. Sowohl über das Thema Stein selbst, aber auch über die jeweiligen Projekte.
„Kein Hochmauern und Dach-Draufsetzen“
Wenn wir schon bei den Projekten sind: Haben Sie eine Vorliebe dafür, mit historischen Bauten zu arbeiten?
Ja, diese Umbauprojekte haben mich immer schon interessiert. Den historischen Bestand mit Neuem zu kombinieren – das sind sehr interessante Aufgaben. Bauen im Bestand war schon immer ein Fachgebiet, das sich durchgezogen hat.
Würden Sie im Zusammenhang ein paar ihrer Projekte schildern? Der „Silberne Elefant“ dürfte ja vor allem den Grazern ein Begriff sein.
Eines unserer wesentlichsten Projekte auf diesem Gebiet war sicherlich das Dokumentationszentrum in Nürnberg mit seinem historisch sensiblen Bestand. Alleine die Geschichte des Gebäudes war eine Herausforderung. Dann der „Silberne Elefant“ – ein bestehendes Gebäude, das in der Altstadtschutzzone von Graz liegt. Die erste Hürde ist, den Vorstellungen der Altstadtkommission zu entsprechen. Es ist ja eine neue Architektur mit einer neuen Dachlandschaft aus Metall.
[Etwas wehmütig:] Während der Umsetzungsphase waren wir nicht vom Glück verfolgt, da der Bauherr in dieser Zeit Konkurs anmelden musste. Hier wurde zu spät bemerkt, dass der hohe Standard, der gewünscht war, schwer zu verkaufen ist. Das war ja das erste Objekt mit Wohnungen, bei dem der Quadratmeterpreis € 10.000 überstieg – schlussendlich wurden aber alle Wohnungen verkauft. Wenn ich beim Objekt vorbeigehe, bin ich aber immer noch recht zufrieden. Wir haben das Projekt ja immer so gesehen, dass es was Anderes sein soll als nur ein „Hochmauern und Dach-Daraufsetzen“.
Welche Vergleiche würden Sie zwischen Neu- und Bestandsbau ziehen?
Persönlich liegt mir natürlich das Bauen im Bestand sehr am Herzen. Vor allem diese Spannung zwischen „etwas Neues zu einem Bestand mit Geschichte dazuzugeben“ ist sehr interessant. Es ist auch irgendwie einfacher. Es ist schon etwas da, damit muss man sich beschäftigen. Wenn man irgendwo etwas komplett Neues hinstellen muss, bin ich zwar freier, es ist aber ab und zu dadurch auch schwieriger. Wir machen natürlich auch Neubauten – die Aufteilung zum Bestand ist mittlerweile aber schon bei 50/50.
Wie beurteilen Sie dahingehend die Nachhaltigkeit bei Materialen?
Das ist ein immer wichtigeres Thema. Sowohl was die Materialauswahl, aber auch die Energieeffizienz betrifft. Energiebewusstes Bauen ist bei jedem Projekt ein Thema – aber auch in den Köpfen der Bauherren.
„Der A1-Ring sollte zehn Mal so groß werden!“
Gibt es Projekte, auf die Sie mit besonderem Stolz zurückblicken?
Ein erinnerungswürdiges Projekt ist sicherlich Spielberg. Woran sich nicht viele erinnern: Der Plan war hier ja um das zehnfache größer als es tatsächlich gebaut wurde. Die Hotels und die Motorsportakademie sind ja dann nicht gekommen. Da waren wir in der Planung aber auch schon seit 2003 beschäftigt. Nach einer Unterbrechung ist es dann 2007/2008 weitergegangen und kurz bevor die Formel-1 wiedergekommen ist, 2014, konnten wir das Projekt endlich abschließen. Das war ein sehr spannendes – aber auch zermürbendes – Projekt. Wir haben viel daraus gelernt!
Was macht ein Architekturbüro, wenn sich ein so großes Projekt so in die Länge zieht?
Natürlich ist das nicht gut. In Spielberg waren etwa 35 Mitarbeiter beteiligt. Alle haben daran gearbeitet und von heute auf morgen war es dann mal weg. Wir haben dann zum Glück einige größere Wettbewerbe gewonnen. Darunter ein Krankenhaus in Zell am See oder das Ronacher in Wien. Dann kamen z.B. noch das Schloss Feistritz oder die Fachschule in Mureck dazu. Mittlerweile hat sich unser Mitarbeiterstand also wieder auf rund 25 Personen aufgebaut. Wir haben in der Zwischenzeit auch mehrere kleinere Projekte mit Red Bull abgewickelt und nehmen immer noch an den Auswahlverfahren teil.